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Molekulare Struktur eukaryotischer Chromosomen

Die Chromosomen sind die lichtmikroskopisch sichtbaren, materiellen Träger der Gene. Bedeutet das aber, dass sie lediglich eine Ansammlung kettenartig aneinandergefügter Gene sind? Aus allen cytologischen Beobachtungen schließen wir, dass die Chromosomen, und damit die Gene, in Mitose und Meiose gle...

Descripción completa

Detalles Bibliográficos
Formato: Online Artículo Texto
Lenguaje:English
Publicado: 2006
Materias:
Acceso en línea:https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7143769/
http://dx.doi.org/10.1007/3-540-29048-6_7
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collection PubMed
description Die Chromosomen sind die lichtmikroskopisch sichtbaren, materiellen Träger der Gene. Bedeutet das aber, dass sie lediglich eine Ansammlung kettenartig aneinandergefügter Gene sind? Aus allen cytologischen Beobachtungen schließen wir, dass die Chromosomen, und damit die Gene, in Mitose und Meiose gleichmäßig auf die Tochterzellen verteilt werden. Dazu werden die Centromerenbereiche der Chromosomen benutzt, die als Ansatzpunkte für die Mikrotubuli des Spindelapparates dienen. So werden die Chromosomen oder deren Untereinheiten, die Chromatiden, bei der Zellteilung auf die Tochterzellen aufgeteilt. Auch bei der DNA-Replikation haben Chromosomen eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Der normale Replikationsmechanismus linearer DNA-Moleküle führt in jedem Replikationszyklus zu einer Verkürzung der DNADoppelhelix von den Enden her, da die RNA-Primer am Ende der DNA zwar entfernt, aber nicht durch DNASequenzen ersetzt werden können. Außerdem muss eine spezielle Struktur sicherstellen, dass die freien Enden der DNA im Chromosom nicht von Exonukleasen abgebaut werden oder durch Reparaturenzyme mit den freien Enden der DNA eines anderen Chromosoms verschmelzen. Das wird durch besondere terminale Domänen, die Telomere, gewährleistet. Bei der weiteren Untersuchung der molekularen Struktur des Genoms machte man die unerwartete Entdeckung, dass das eukaryotische Genom zum größten Teil nicht aus Protein-kodierenden DNA-Sequenzen besteht. Ein großer Teil der DNA-Sequenzen gehört zur repetitiven DNA, die, wie der Name schon sagt, in vielen, teils identischen, teils voneinander strukturell abweichenden, aber ähnlichen Kopien im Genom vorhanden ist. Ein Teil dieser DNA, vor allem hochrepetitive Sequenzen, ist in heterochromatischen Chromosomenabschnitten lokalisiert. Andere sind in Einzelkopien über das gesamte Genom verstreut. Die erstaunlich großen Unterschiede im DNA-Gehalt der Genome höherer Organismen müssen hauptsächlich Unterschieden in der Menge repetitiver DNA zugeschrieben werden. Sie beruhen also nicht auf wesentlichen Unterschieden in der Zahl Protein-kodierender Gene. Chromosomen sind dynamische Strukturen, die strukturell und funktionell eng mit dem Stoffwechsel und dem Differenzierungsgrad der jeweiligen Zelle verbunden sind. Ihre Bedeutung geht weit über das hinaus, was man von einem reinen „Gen-Depot“ erwarten würde. So hat die unterschiedliche Konstitution der Geschlechtschromosomen in den beiden Geschlechtern zur Folge, dass die Anzahl der Kopien der auf diesen Chromosomen gelegenen Gene im männlichen und weiblichen Geschlecht unterschiedlich ist. Solche quantitativ unbalancierten Genkonstitutionen werden in der Regel vom Organismus nicht toleriert. Verschiedene Organismengruppen haben daher spezifische Mechanismen entwickelt, um für einen funktionellen Ausgleich (Dosiskompensation) der verschiedenen Genkopienzahlen zu sorgen. In Säugetieren wird eines der beiden X-Chromosomen des weiblichen Geschlechts inaktiviert, so dass ein der hemizygoten X-Chromosomenkonstitution des männlichen Geschlechts funktionell gleichwertiger Zustand zustande kommt. In Drosophila erfolgt der Ausgleich in der Genaktivität durch erhöhte Aktivität der X-chromosomalen Gene im Männchen. Die Inaktivierung des Säuger-X-Chromosoms lässt verschiedene wesentliche biologische Mechanismen erkennen. Abgesehen von der Feststellung, dass ganze Chromosomen innerhalb eines Genoms gerichtet funktionell inaktiviert oder hyperaktiviert werden können, ist es von grundlegender Bedeutung, dass eine einmal erfolgte Inaktivierung innerhalb eines Organismus im Allgemeinen erhalten bleibt. Das Chromosom muss mithin eine Information aufnehmen, die dafür sorgt, dass es in allen folgenden Zellgenerationen inaktiv bleibt. Man bezeichnet eine solche Information als chromosomale Prägung (Imprinting). Eine weitere Konsequenz der X-Chromosomeninaktivierung ist, dass verschiedene Zellen von Säugerweibchen eine unterschiedliche Konstitution hinsichtlich der aktiven X-chromosomalen Gene besitzen können. Säugerweibchen sind daher funktionelle Mosaike in Bezug auf die Ausprägung geschlechtsgebundener Gene. Wir wissen, dass die chromosomale DNA in einer ersten Verpackungsstufe in der Form von kompakten Nukleosomen organisiert wird. Sie windet sich hierzu zweimal um einen Komplex aus Histonproteinen. Eine Kette derartiger DNA-Histonpartikel formt eine Chromatinfibrille von 10 nm Durchmesser. Diese Fibrille wird jedoch zusätzlich in Fibrillen höherer Ordnung organisiert. Aktives und inaktives Chromatin unterscheiden sich dabei in dem Ausmaß der Kondensation; Insulator-Elemente sind an der Ausbildung offener Chromatinstrukturen und an der Anheftung der Chromatiden an der Kernmembran beteiligt. Die Kompartimentierung des Zellkerns in chromosomale Territorien und Interchromatindomänen erlaubt die räumliche Trennung verschiedener funktioneller Abläufe im Zellkern, wie Transkription und Reifung der RNA.
format Online
Article
Text
id pubmed-7143769
institution National Center for Biotechnology Information
language English
publishDate 2006
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spelling pubmed-71437692020-04-09 Molekulare Struktur eukaryotischer Chromosomen Genetik Article Die Chromosomen sind die lichtmikroskopisch sichtbaren, materiellen Träger der Gene. Bedeutet das aber, dass sie lediglich eine Ansammlung kettenartig aneinandergefügter Gene sind? Aus allen cytologischen Beobachtungen schließen wir, dass die Chromosomen, und damit die Gene, in Mitose und Meiose gleichmäßig auf die Tochterzellen verteilt werden. Dazu werden die Centromerenbereiche der Chromosomen benutzt, die als Ansatzpunkte für die Mikrotubuli des Spindelapparates dienen. So werden die Chromosomen oder deren Untereinheiten, die Chromatiden, bei der Zellteilung auf die Tochterzellen aufgeteilt. Auch bei der DNA-Replikation haben Chromosomen eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Der normale Replikationsmechanismus linearer DNA-Moleküle führt in jedem Replikationszyklus zu einer Verkürzung der DNADoppelhelix von den Enden her, da die RNA-Primer am Ende der DNA zwar entfernt, aber nicht durch DNASequenzen ersetzt werden können. Außerdem muss eine spezielle Struktur sicherstellen, dass die freien Enden der DNA im Chromosom nicht von Exonukleasen abgebaut werden oder durch Reparaturenzyme mit den freien Enden der DNA eines anderen Chromosoms verschmelzen. Das wird durch besondere terminale Domänen, die Telomere, gewährleistet. Bei der weiteren Untersuchung der molekularen Struktur des Genoms machte man die unerwartete Entdeckung, dass das eukaryotische Genom zum größten Teil nicht aus Protein-kodierenden DNA-Sequenzen besteht. Ein großer Teil der DNA-Sequenzen gehört zur repetitiven DNA, die, wie der Name schon sagt, in vielen, teils identischen, teils voneinander strukturell abweichenden, aber ähnlichen Kopien im Genom vorhanden ist. Ein Teil dieser DNA, vor allem hochrepetitive Sequenzen, ist in heterochromatischen Chromosomenabschnitten lokalisiert. Andere sind in Einzelkopien über das gesamte Genom verstreut. Die erstaunlich großen Unterschiede im DNA-Gehalt der Genome höherer Organismen müssen hauptsächlich Unterschieden in der Menge repetitiver DNA zugeschrieben werden. Sie beruhen also nicht auf wesentlichen Unterschieden in der Zahl Protein-kodierender Gene. Chromosomen sind dynamische Strukturen, die strukturell und funktionell eng mit dem Stoffwechsel und dem Differenzierungsgrad der jeweiligen Zelle verbunden sind. Ihre Bedeutung geht weit über das hinaus, was man von einem reinen „Gen-Depot“ erwarten würde. So hat die unterschiedliche Konstitution der Geschlechtschromosomen in den beiden Geschlechtern zur Folge, dass die Anzahl der Kopien der auf diesen Chromosomen gelegenen Gene im männlichen und weiblichen Geschlecht unterschiedlich ist. Solche quantitativ unbalancierten Genkonstitutionen werden in der Regel vom Organismus nicht toleriert. Verschiedene Organismengruppen haben daher spezifische Mechanismen entwickelt, um für einen funktionellen Ausgleich (Dosiskompensation) der verschiedenen Genkopienzahlen zu sorgen. In Säugetieren wird eines der beiden X-Chromosomen des weiblichen Geschlechts inaktiviert, so dass ein der hemizygoten X-Chromosomenkonstitution des männlichen Geschlechts funktionell gleichwertiger Zustand zustande kommt. In Drosophila erfolgt der Ausgleich in der Genaktivität durch erhöhte Aktivität der X-chromosomalen Gene im Männchen. Die Inaktivierung des Säuger-X-Chromosoms lässt verschiedene wesentliche biologische Mechanismen erkennen. Abgesehen von der Feststellung, dass ganze Chromosomen innerhalb eines Genoms gerichtet funktionell inaktiviert oder hyperaktiviert werden können, ist es von grundlegender Bedeutung, dass eine einmal erfolgte Inaktivierung innerhalb eines Organismus im Allgemeinen erhalten bleibt. Das Chromosom muss mithin eine Information aufnehmen, die dafür sorgt, dass es in allen folgenden Zellgenerationen inaktiv bleibt. Man bezeichnet eine solche Information als chromosomale Prägung (Imprinting). Eine weitere Konsequenz der X-Chromosomeninaktivierung ist, dass verschiedene Zellen von Säugerweibchen eine unterschiedliche Konstitution hinsichtlich der aktiven X-chromosomalen Gene besitzen können. Säugerweibchen sind daher funktionelle Mosaike in Bezug auf die Ausprägung geschlechtsgebundener Gene. Wir wissen, dass die chromosomale DNA in einer ersten Verpackungsstufe in der Form von kompakten Nukleosomen organisiert wird. Sie windet sich hierzu zweimal um einen Komplex aus Histonproteinen. Eine Kette derartiger DNA-Histonpartikel formt eine Chromatinfibrille von 10 nm Durchmesser. Diese Fibrille wird jedoch zusätzlich in Fibrillen höherer Ordnung organisiert. Aktives und inaktives Chromatin unterscheiden sich dabei in dem Ausmaß der Kondensation; Insulator-Elemente sind an der Ausbildung offener Chromatinstrukturen und an der Anheftung der Chromatiden an der Kernmembran beteiligt. Die Kompartimentierung des Zellkerns in chromosomale Territorien und Interchromatindomänen erlaubt die räumliche Trennung verschiedener funktioneller Abläufe im Zellkern, wie Transkription und Reifung der RNA. 2006 /pmc/articles/PMC7143769/ http://dx.doi.org/10.1007/3-540-29048-6_7 Text en © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1995 This article is made available via the PMC Open Access Subset for unrestricted research re-use and secondary analysis in any form or by any means with acknowledgement of the original source. 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